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Esccap Expertenrat von Professor Dr. Anja Joachim
Verschiedene Fliegenarten können beim Kaninchen einen Madenbefall verursachen. Dabei handelt es sich um einen akuten Notfall, der einer schnellen Behandlung bedarf. Wie sich die Myiasis bei Kaninchen behandeln lässt und wie einem Madenbefall vorgebeugt werden kann, erklärt Veterinärparasitologin Prof. Dr. Anja Joachim von der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Definition und Pathogenese
Myiasis wird bei Kaninchen durch den Befall mit Larven (Maden) verschiedener Fliegenarten (häufig Lucilia sericata, aber auch andere Schmeiß- und Fleischfliegen) verursacht. Sie tritt in Mitteleuropa nur im Sommer auf, wenn die Fliegen aktiv sind und ihre Eier auf der Körperoberfläche oder in Wunden der Tiere sowie gelegentlich auch in Körperöffnungen ablegen.
Angelockt werden die Fliegen von offenen Wunden, aber auch dem Geruch von Kot oder Harn.
Sie lassen sich vornehmlich an warmen, feuchten Körperstellen, z. B. um den Anus auf kotverschmutzten Haaren, nieder.
Gefährdet sind daher entsprechend vor allem langhaarige Tiere, Tiere mit Durchfall oder Harninkontinenz, die zu stärkerer Fellverschmutzung neigen, und Tiere in Außenhaltung. Auch ältere, bewegungseingeschränkte oder übergewichtige Kaninchen sind häufiger befallen. Dasselbe gilt für Tiere mit Zahnproblemen, die Schwierigkeiten haben, ihr Fell zu pflegen oder Zäkotrophe abzunehmen.
Ein Fliegenweibchen legt bis zu 200 Eier ab, aus denen innerhalb von Stunden die Erstlarven schlüpfen.
Diese beginnen anschließend, sich vom Gewebe der befallenen Tiere zu ernähren und von der Oberfläche aus in tiefere Gewebeschichten vorzudringen. Dabei sondern sie Stoffe ab, die das Gewebe zersetzen, sodass sich die Maden häufig unter der Haut von der Eiablagestelle her über den Tierkörper verbreiten.
Sie können auch ins Rektum und anschließend in die Becken- und Bauchhöhle vordringen und dort eine akute schwere Bauchfellentzündung verursachen.
Symptome und Behandlungsoptionen
Häufig bleibt ein Madenbefall zunächst unbemerkt, weil sich die Fliegenlarven an Körperstellen an der Hinter- und Unterseite der Tiere zurückziehen. Die Myiasis wird oft erst festgestellt, wenn der Befall bereits fortgeschritten ist und die Kaninchen Inappetenz, Apathie, Zähneknirschen und andere Anzeichen von Unwohlsein und Schmerz zeigen. Madenbefall ist ein Notfall in der Kleintierpraxis, und nicht selten bleibt in schweren Fällen nur die Euthanasie der Tiere.
Therapeutisch sind die Maden beim sedierten (ggf. anästhesierten) Tier zügig und vollständig chirurgisch zu entfernen. Dies gilt auch für die verschmutzten Haare und das untergehende Gewebe. Eine großflächige Wundsanierung und eine Antibiose sind unter Umständen ebenfalls notwendig. Um nicht erreichbare Maden abzutöten, können umgewidmete gewebegängige Insektizide wie Ivermectin (0,4 mg/kg s.c.), Selamectin (6 mg/kg spot-on), Doramectin (0,5 mg/kg s.c.) oder Nitenpyram (1 mg/kg oral) eingesetzt werden.
Dabei ist auf eine systemische Reaktion durch absterbende Maden zu achten.
Die Gabe von Corticosteroiden wird in der Literatur kontrovers diskutiert, ist aber potenziell hilfreich, um Schwellungen und Schmerzen bei Myiasis zu reduzieren und einem anaphylaktischen Schock durch absterbende Maden vorzubeugen. Auf jeden Fall sollten nichtsteroidale Antiphlogistika, z. B. Meloxicam, zur Schmerzlinderung angewandt werden.
Ein antiseptisches Vollbad ist aufgrund des Stresses und der Verletzungsgefahr für das Tier bei Stürzen nur in Ausnahmefällen empfehlenswert. Unter einer Wärmelampe werden die Maden häufig hervorgelockt, sodass sie leichter entfernt werden können.
Prophylaxe
Prophylaktisch ist auf eine artgerechte und ausgewogene Fütterung und gute Zahngesundheit zu achten, um Verdauungsstörungen vorzubeugen. Die Einstreu von Ausläufen muss trocken gehalten und gegebenenfalls häufiger gewechselt werden, da Kot und Harn die Fliegen anlocken.
An Außengehegen für Kaninchen sollten, wenn möglich, Fliegengitter angebracht werden.
Außerdem ist es sinnvoll, Kaninchen im Sommer mindestens einmal täglich, vor allem um den Anus herum, auf Verschmutzungen und Madenbefall zu überprüfen.
Das Fell der Tiere muss sauber und trocken gehalten werden. Verletzungen sind zu versorgen und abzudecken.
Regelmäßige Gesundheitschecks sind auch für Kaninchen empfehlenswert, und eine Aufklärung über häufige Kaninchenkrankheiten sowie deren Vorbeugung empfiehlt sich als Bestandteil des Besitzergesprächs.
Frau Professor Dr. Anja Joachim ist Leiterin des Instituts für Parasitologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna). Zudem ist sie Mitglied der unabhängigen Expertenorganisation
ESCCAP (European Scientific Counsel Companion Animal Parasites) und nationale Vertreterin von ESCCAP Österreich.
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